31.03.2023

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

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Ist das Weiterbeschäftigungsangebot des Arbeitgebers ganz offensichtlich nicht ernst gemeint, gerät dieser in Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitskraft nicht aktiv anbieten, entschied das BAG.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Diese Vermutung kann durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden. Dies hat das BAG mit Urteil vom 29.03.2023 (5 AZR 255/22) entschieden.

Zum Sachverhalt

Der Kläger war als technischer Leiter beschäftigt. Die Arbeitgeberin sprach eine fristlose Änderungskündigung aus, mit der sie dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine verminderte Vergütung anbot. Weiter heißt es in dem Kündigungsschreiben, „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut und zwar außerordentlich. Ferner wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger „zum Arbeitsantritt“. Dem leistete der Kläger nicht Folge. In dem von ihm anhängig gemachten Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben.

Nachdem die Beklagte für den Monat Dezember 2019 einen Bruchteil der Vergütung zahlte und der Kläger erst zum 01. April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, hat er Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erhoben, mit der er die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangt.

Erfolg vor dem BAG

Vor dem BAG hatte der Kläger Erfolg (Urteil vom 29.03.2023 – 5 AZR 255/22).  Die Beklagte befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Weil die Beklagte selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, spricht wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernst gemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete. Darüber hinaus lässt die Ablehnung eines solchen „Angebots“ nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers i. S. d. § 297 BGB schließen.


BAG vom 29.03.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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