DB: Matrixstrukturen im Konzern sollen Zuständigkeiten, Funktionen und Know-how zusammenführen. Zudem sollen sie Kommunikationswege verkürzen und die Effizienz erhöhen. Wie gut oder schlecht wird dieses Ziel in der Praxis erreicht?
Duttiné: Bei jungen Unternehmen durchaus gut. Sie kommen häufig mit ungeordneten, aber einfachen und informellen Strukturen aus. Der umfassende Wissens- und Kompetenzaustausch im Interesse des Unternehmenserfolgs ist hier (noch) zu gewährleisten. Mit zunehmender Unternehmensgröße lässt sich die Komplexität von Produkten, Funktionen, Märkten oder Kundenbeziehungen aber meist nur mit einer strukturierten Arbeitsteilung und einem komplexen Konzernaufbau beherrschen.
DB: Wie muss man sich diese Arbeitsteilung vorstellen?
Duttiné: Matrixstrukturen im Konzern werden praktisch dadurch umgesetzt, dass der Matrixmanager Weisungen sowohl unmittelbar an die Geschäftsleitung als auch direkt an die Arbeitnehmer der jeweiligen Matrixgesellschaft erteilen darf. Das führt dazu, dass Matrixmitarbeiter, die den Fachweisungen der Matrixmanager und zugleich den Weisungen ihres direkten Dienstvorgesetzten Folge leisten, in mehreren Weisungsbeziehungen stehen. Das wirft vielfältige juristische und steuerliche Probleme auf – auch und gerade in Zeiten der zunehmenden (internationalen) Arbeitnehmermobilität.
DB: Die Corona-Pandemie und der Fachkräftemangel haben diesbezüglich eine neue Dimension eröffnet. Arbeitsformen wie Homeoffice oder Remote Work gehören vielerorts bereits zum Standard. Inwieweit wirkt sich die Konzernmatrix auf diese erweiterte internationale Arbeitnehmermobilität aus – auch in steuerlicher Sicht?
Duttiné: Die durch internationale Arbeitnehmerentsendungen und neue Arbeitsformen berührten steuerlichen Themenfelder bei der Besteuerung von Arbeitnehmereinkünften haben zum Teil eine besondere Sensitivität für die neuen Formen der Arbeitnehmermobilität. Das liegt auch daran, dass sie häufig an den hierarchischen, eindimensionalen Konzernaufbau und den steuerlichen Entsendungsbegriff anknüpfen. In der Konzernmatrix verschwimmen jedoch, wie gesehen, die Konturen des klassischen – durch Über- und Unterordnung – geprägten Arbeitsverhältnisses, sodass die hergebrachten steuerlichen Anknüpfungen möglicherweise neu betrachtet werden müssen.
DB: Welche Anknüpfungspunkte sind das?
Duttiné: Zu nennen ist zunächst die subjektive Steuerpflicht im Inland und dabei insb. der Aspekt der Ausübung und Verwertung der Tätigkeit im Inland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bestimmung des sog. wirtschaftlichen Arbeitgebers gem. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA. Hier werden insb. die ertragsteuerliche Zuordnung und Abzugsfähigkeit von Lohnkosten relevant.
DB: Wie unterscheiden sich die Auswirkungen auf die Besteuerung der Arbeitnehmereinkünfte von Matrixmanagern und -mitarbeitern in den beiden Bereichen?
Duttiné: Die Anknüpfungen der unbeschränkten und der beschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht stellen auf physische Merkmale ab – also auf zum Wohnen geeignete Räume, Anwesenheit, physische Ausübung der Tätigkeit etc. Sie reagieren deshalb nicht matrixsensitiv, weil der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit, etwa die Ausübung von Weisungsrechten oder die Erfüllungen von Weisungen, bei der Beurteilung der physischen Anknüpfungen nicht bedeutsam ist.
Die häufigsten Matrix-Konstellationen spielen sich allerdings zwischen DBA-Staaten ab, weshalb nach der Prüfung des nationalen Steuerrechts zwingend eine Analyse des DBA-Rechts zu erfolgen hat. Hier ist Matrix-Sensitivität zu bejahen, wenn es nicht um persönliche Anknüpfungsmerkmale und den Ort der Tätigkeit, sondern um funktionale Anknüpfungen geht.
DB: Was bedeutet das konkret?
Duttiné: Sind Matrixmanager oder -mitarbeiter grenzüberschreitend bei einer anderen Konzerngesellschaft aktiv, bewirkt die (zusätzliche) Wahrnehmung von Zentralfunktionen oder das Befolgen von Weisungen aus der Zentralfunktion meist, dass eine Entsendung (mangels Eingliederung) bzw. eine Kostentragung durch das aufnehmende Unternehmen zu verneinen ist. An die Annahme eines wirtschaftlichen Arbeitgebers und die steuerliche Anknüpfung im Aufnahmestaat sind daher in Matrix-Fällen erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Besteuerung der Matrixmitarbeiter steht folglich in diametralem Gegensatz zur Besteuerung „normaler“ Arbeitnehmer, bei denen der Ausübungsstaat insoweit ein Besteuerungsrecht nach Art. 15 OECD-MA reklamieren könnte.
DB: Unterstellt, ein Matrixmanager/Matrixmitarbeiter arbeitet regelmäßig im Homeoffice oder remote. Inwieweit kann dies zum Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat des Arbeitnehmers werden?
Duttiné: In einer solchen Konstellation wäre eine Betriebsstättenbegründung infolge der Tätigkeit eines Matrixmanagers/Matrixmitarbeiters denkbar. Beim damit einhergehenden Besteuerungsrecht des Ausübungsstaats gem. Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA ist in erster Linie die Vervielfältigung der potenziellen steuerlichen Anknüpfungen (Betriebsstätten) zu beachten. Eine matrixspezifische Komponente hat dieser Themenkomplex allerdings nicht, weil allein durch das Ausüben/Befolgen von Fachweisungen durch Matrixmanager oder -mitarbeiter eine beteiligte Konzerneinheit nicht zur Betriebsstätte der jeweils anderen Konzerneinheit wird.
Wichtig ist es jedoch, das abweichende OECD-Verständnis im Hinterkopf zu haben und in grenzüberschreitenden Arbeitnehmer-Konstellationen ein ggf. weites Betriebsstätten-Verständnis des Homeoffice-Staats zu antizipieren. Andernfalls sind Qualifikationskonflikte und Doppelbesteuerungssachverhalte programmiert.