16.06.2023

Bahnfahren ist Arbeitszeit

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden, dass Reisezeiten mit der Bahn, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfallen, Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind.

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

©Tommaso Altamura/123rf.com

Ein Speditionsunternehmen, das auf die Überführung von neuen und gebrauchten Nutzfahrzeugen, unter anderem Sattelzugmaschinen, spezialisiert ist, hatte vor dem VG geklagt. Die für die Überführung eingesetzten Arbeitnehmer fahren mit Taxi und Bahn zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs, übernehmen es dort und fahren das Fahrzeug anschließend auf der eigenen Achse zum Zielort. Von dort reisen sie wiederum mit der Bahn zurück zu ihrem Wohnort.

Ärger mit dem Gewerbeaufsichtsamt

Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt hatte der Klägerin aufgegeben, die zulässigen Höchstarbeitszeiten einzuhalten, und dabei festgestellt, dass Bahnreisezeiten, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfielen, als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu berücksichtigen seien. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Argument, die betroffenen Arbeitnehmer seien während der Bahnfahrt in der Gestaltung ihrer Zeit völlig frei, sodass ihnen nur ein „Freizeitopfer“ abverlangt werde.

Definition von Arbeitszeit im Sinne des EU-Rechts

Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht Lüneburg nicht gefolgt (Urteil vom 02.05.2023 – 3 A 146/22): Die einschlägigen europarechtlichen Grundlagen (Arbeitszeit-Richtlinie) erforderten im vorliegenden Fall eine von der gängigen Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) abweichende Bestimmung des Begriffs der Arbeitszeit.

Zwar gehe mit dem Bahnfahren nicht zwingend eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung einher, was nach der sog. Beanspruchungstheorie des BAG maßgeblich für die Erfassung einer Tätigkeit als Arbeitszeit sei. Für die europarechtliche Begriffsbestimmung sei indes allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme.

Bahnreisezeit als Arbeitszeit einzustufen

Danach zähle die Bahnreisezeit als Arbeitszeit. Denn die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn sei einerseits bereits Teil der Leistungserbringung und beschränke andererseits die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. So hänge die Dauer der Bahnreisezeit allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden müsse. Anders als bei der Anreise zu einer festen Betriebsstätte stehe sie somit nicht zur Disposition des Arbeitnehmers, sondern sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den besonderen Vorschriften des deutschen und des europäischen Rechts zur Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausübten, denn diese fänden im vorliegenden Fall keine Anwendung.


VG Lüneburg vom 05.06.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

Weitere Meldungen


Arbeitsrecht, Meldung

©pattilabelle/fotolia.com

20.11.2024

52 % aller Beschäftigten bekommen Weihnachtsgeld

Männer erhalten mit 54 % immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 48 % diese Sonderzahlung bekommen.

weiterlesen
52 % aller Beschäftigten bekommen Weihnachtsgeld

Meldung

©hakinmhan/123rf.com

18.11.2024

BAG zur Inflationsausgleichsprämie in Altersteilzeit

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dem Ausschluss von Arbeitnehmern in Altersteilzeit vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie befasst.

weiterlesen
BAG zur Inflationsausgleichsprämie in Altersteilzeit

Meldung

©Jörg Lantelme/fotolia.com

15.11.2024

Konzernprivileg gekippt: Dauerverleih bleibt Arbeitsverhältnis

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Konzernprivileg entfällt, wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft an ein anderes Konzernunternehmen überlassen wird.

weiterlesen
Konzernprivileg gekippt: Dauerverleih bleibt Arbeitsverhältnis

Meldung

©pattilabelle/fotolia.com

12.11.2024

Tarifbeschäftigte erhalten knapp 3.000 Euro Weihnachtsgeld

Je nach Branche erhalten 85,8 % der Tarifbeschäftigten in Deutschland im Jahr 2024 ein Weihnachtsgeld, das durchschnittlich bei 2.987 Euro liegt.

weiterlesen
Tarifbeschäftigte erhalten knapp 3.000 Euro Weihnachtsgeld

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:


Haben wir Ihr Interesse für die ZAU geweckt?

Testen Sie kostenlos zwei Ausgaben inkl. Datenbankzugang!