Das Arbeitsgericht Braunschweig hat am 05.07.2023 zwei Klagen freigestellter Betriebsratsmitglieder in vollem Umfang stattgegeben. In den Verfahren klagen freigestellte Betriebsratsmitglieder Vergütungsdifferenzen ein, nachdem die Volkswagen AG – ausgelöst durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) – Gehaltskürzungen vorgenommen hat.
Kürzung nach Vergleichsgruppenbetrachtung
In dem ersten Fall war der Kläger bei Übernahme des Betriebsratsamtes im Jahr 2002 in die Entgeltstufe 13 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags eingruppiert und erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Entgeltstufe 20. Die Beklagte nahm auf der Grundlage einer Vergleichsgruppenbetrachtung mit Wirkung ab Oktober 2022 eine Rückstufung des Klägers in die Entgeltstufe 18 vor und kürzte die Vergütung um ca. 640 Euro brutto monatlich. Der Kläger hat die Vergleichsgruppenbildung der Beklagten als nicht nachvollziehbar angegriffen und sich auf eine ihm im Jahr 2015 angebotene Stelle berufen, die eine Vergütungsentwicklung – unstreitig – bis zumindest in die Entgeltstufe 20 beinhaltet. Die Beklagte verteidigt die von ihr vorgenommene Vergleichsgruppenbildung und hat vorgetragen, sie sehe sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer strengen Vergleichsgruppenbetrachtung gezwungen.
Das ArbG Braunschweig hat der Klage unter Hinweis auf die dem Kläger im Jahr 2015 angebotene Stelle stattgegeben. Die Entscheidung des BGH vom 10.01.2023 stehe der Berücksichtigung dieses Stellenangebotes unter dem Gesichtspunkt einer „hypothetischen Karriere“ nicht entgegen. Es habe sich um eine tatsächlich zu besetzende Stelle gehandelt, für die sich der Kläger nicht aufgrund seiner Tätigkeit im Betriebsrat, sondern der zuvor übertragenen Aufgaben und der dort gezeigten Leistungen qualifiziert habe. Die Stelle habe der Kläger mit Rücksicht auf eine kurz zuvor im Betriebsrat übernommene Funktion abgelehnt.
Eine Berufung gegen dieses Urteil ist zulässig.
Rückgruppierung führt zum Streit
In dem zweiten Fall war ein Mitarbeiter Ende 2016 vor der Übernahme des Betriebsratsamtes (Mai 2017) von der Entgeltstufe 12 in die Entgeltstufe 13 höhergruppiert worden. Die Beklagte nahm mit Wirkung ab dem Oktober 2022 eine Rückgruppierung in die Entgeltstufe 12 vor und kürzte das Gehalt des Klägers für die Monate Februar und März 2023 um ca. 280 Euro brutto monatlich. Sie begründet die Rückgruppierung damit, dass die Höhergruppierung des Klägers Ende 2016 in die Entgeltstufe 13 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Amtsübernahme ohne erkennbare Änderung seiner Tätigkeit erfolgt sei. Der Kläger macht geltend, die Höhergruppierung habe auf einer bereits im April 2016 vollzogenen Erweiterung seines Tätigkeitsbereichs beruht.
Das ArbG Braunschweig hat der Klage unter Hinweis auf den Vortrag des Klägers zu übernommenen Zusatzaufgaben als Grundlage für die Höhergruppierung stattgegeben. Sie hat festgestellt, dass die Beklagte dieser Darstellung des Klägers nicht entgegengetreten ist. Eine zunächst von der Beklagten erhobene Widerklage wegen überzahlter Vergütung für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 wurde noch vor dem Kammertermin zurückgenommen.
Gegen dieses Urteil ist eine Berufung nicht zulässig.