ZAU: Herr Walz, „HR Smart Automation” und dort die Digitalisierung des Arbeitsvertragsprozesses haben Sie in den letzten Monaten stark beschäftigt. Welches Ziel verfolgte das Projekt?
Walz: Die „HR Smart Automation“ soll zu einer verbesserten Employee/Candidate Experience führen – durch Standardisierung, Reduzierung von Komplexität, den geschickten Einsatz von Digitalisierung, reduzierte Fehleranfälligkeit, Senkung von operativen Kosten und größtmögliche Automatisierung. Durch den harmonisierten End-to-End Prozesses soll die Erstellung von Angeboten und Verträgen erheblich schneller vonstattengehen.
ZAU: Auf welche rechtlichen und tatsächlichen Herausforderungen sind Sie im Rahmen des Projektes getroffen?
Walz: Größte Herausforderung in tatsächlicher Hinsicht war die Erarbeitung des Status quo, das Zusammenstellen aller in den Konzerngesellschaften in Deutschland verwendeten Vertragsmuster und der einzelnen Arbeitsvertragsklauseln. Die Zielvorgabe – ein einziges harmonisiertes Vertragsmuster – erscheint da eine sportliche, wenn nicht sogar unmögliche Aufgabe. Durch Harmonisierung, Entfernung von Klausel, Eingabefelder, Nutzung bedingter Klauseln sowie Auslagerung von Vertragsinhalten in Anhänge haben zu einer enormen Reduzierung der Komplexität beigetragen. Dies war nur durch die Zusammenarbeit verschiedener Fachexperten aus den unterschiedlichen Geschäftsbereichen und Gesellschaften möglich, die für das große Ziel, eine Vereinfachung herbeizuführen, zusammengekommen sind.
Die rechtlichen Aspekte, die bei der Durchführung des Projekts für uns von besonderer Relevanz waren, sind Inhaltskontrolle, Risikoanalyse und Rechtssicherheit:
Bei der Überarbeitung der Vertragsklauseln wurde der aktuelle Stand der Rspr. zur Inhaltskontrolle und Transparenzanforderung berücksichtigt.
Durch eine umfassende Prüfung und Analyse bestehender Risiken und mit der Bereitschaft zum Smart Risk Taking konnten mögliche Unschärfen in den Vertragsmustern akzeptiert werden.
Unseren am Anfang des Projekts definierten Grundsatz, rechtssicher Arbeitsverträge zu erstellen, haben wir bei allen Entscheidungen beachtet. So haben wir eines der Ziele, Arbeitsverträge zu erstellen, die u.U. sehr lange ein Arbeitsleben regeln können und daher auf rechtssicheren Grundprinzipien stehen müssen, erfüllt.
Besonders herauszustellen bei der Bewertung rechtlicher Risiken ist die Einführung und Nutzung von elektronischen Signaturen bei bestimmten Arbeitsvertragsdokumenten. Durch eine Integration hat das papierlos automatisierte Vertragsangebot zur Prozessoptimierung beigetragen. Es sollen Übergaben und der manuelle, papierbasierte Unterzeichnungsprozess entfallen.
Die Einführung der digitalen Signaturen für bestimmte Arbeitsvertragsdokumente ist elementarer Bestandteil der „HR Smart Automation“. Dieser Schritt bringt erhebliche Effizienz- und Nachhaltigkeitsvorteile mit sich und beschleunigt die Erstellung, das Versenden und die Rückläufe der Vertragsunterlagen erheblich.
Aus rechtlicher Sicht stellen vor allem die Regelungen des NachwG bei der Einführung und Nutzung von elektronischen Signaturen eine Herausforderung dar.
Intention des NachwG ist es, vor allem für solche Arbeitnehmer*innen einen zusätzlichen besonderen Klarstellungseffekt zu erzielen, die bis zur Einführung des Gesetzes keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten haben. Nach der Gesetzesbegründung soll die Nachweispflicht zur Herstellung von mehr Rechtssicherheit und -klarheit im Arbeitsverhältnis führen.
Dieser Schutz kann durch einen qualifiziert elektronisch signierten Arbeitsvertrag in gleicher Weise erreicht werden. Ebenso kann damit Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Arbeitsverhältnis gewährleistet werden.
Der Intention des Gesetzgebers, Arbeitnehmer*innen die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses transparent mitzuteilen, kann mit Smart Risk Taking ebenfalls durch einen elektronischen Arbeitsvertrag für bestimmte Vertragsverhältnisse entsprochen werden.
ZAU: Die Bereitschaft, kalkulierte Risiken einzugehen, ist notwendig, um Digitalisierung frühzeitig umzusetzen. Stimmen Sie dieser Aussage zu und warum?
Walz: Wir haben sowohl unsere Hauptarbeitsverträge stark standardisiert und harmonisiert als auch die Anzahl der Anhänge auf ein Minimum reduziert. Je mehr Vertragsmuster es zu verwalten gibt, desto höher wird die Fehleranfälligkeit in der Pflege ebendieser. Darüber hinaus wird aber auch die Administration durch die Anwender im System komplexer, je mehr Optionen in Arbeitsvertragsmustern abgebildet werden. Die Beschränkung und Rückführung auf den harmonisierten Minimalinhalt in den Arbeitsvertragsmustern ist daher unausweichlich.
Zu Beginn des Projekts hatten wir große Zweifel an der Durchführbarkeit im deutschen Rechtsraum, haben uns aber der Aufgabe gestellt, weil es einen großen Bedarf gab, unsere Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Nach Einführung der digitalen Lösungen sind die Rückmeldungen der Nutzer*innen und Kandidat*innen durchweg positiv. Die Bereitschaft, Digitalisierung und Geschwindigkeit in der Vertragserstellung voranzustellen und dabei möglicherweise mit Konventionen zu brechen, haben sich aus unserer Sicht ausgezahlt.
Smart Risk Taking, also die Bereitschaft, kalkulierte, überschaubare Risiken einzugehen, sehe ich als entscheidenden und notwendigen Bestandteil an, um Digitalisierungsoptionen rechtlich mitzugestalten und um Digitalisierung frühzeitig und weitreichend umzusetzen.
ZAU: Sicherlich beobachten auch Sie die nun anstehende Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber. Können Sie die Auswirkungen auf den inzwischen bei Novartis umgesetzten Prozess der digitalen Arbeitsvertragsgestaltung abschätzen?
Walz: Wir beobachten die aktuellen Initiativen des Gesetzgebers mit großem Interesse und beziehen in unsere rechtliche Bewertung mit ein.
Darüber hinaus stehen wir mit verschiedenen anderen Unternehmen im Austausch, die ebenfalls ähnliche Digitalisierungs- und Automatisierungsprogramme im Personalbereich umgesetzt haben und digitale Signaturen nutzen.
Unserer Erfahrung nach funktioniert der bei Novartis implementierte Prozess eines digitalen Arbeitsvertrages gut und wird von den Kandidat*innen als Innovation und Erleichterung wahrgenommen.
Meine persönliche Sorge ist, dass durch die Umsetzung der Arbeitsbedingungsrichtlinie ein bei uns und anderen Unternehmen verschiedener Branchen bereits etabliertes Konzept zur Digitalisierung und Vereinfachung in der Personaladministration mit unnötiger Rechtsunsicherheit und Bußgeldrisiko beschwert oder sogar rückgängig gemacht wird. Mein Wunsch wäre mehr Mut vom Gesetzgeber, damit Deutschland und Europa im internationalen Vergleich nicht weiter zurückstehen müssen – unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Schutz- und Transparenzanforderungen. Andere Länder machen es bereits vor, und wir könnten von ihren Erfahrungen lernen.