Herr Dr. Gottschalck, wie hat sich die Unternehmenskultur in Bezug auf Beiräte in den letzten Jahrzehnten verändert?
Es ist klar eine größere Offenheit hinsichtlich der Nützlichkeit von Beiratsgremien zu erkennen. Und dies gilt sowohl für die erstmalige Einrichtung eines solchen Gremiums als auch für die Offenheit, sich „fremden“ Beiratsmitgliedern anzuvertrauen.
Woran liegt das?
Die Gründe sind vielschichtig. Mittelständische Unternehmen agieren beispielsweise immer stärker auf internationalen Märkten und stehen daher ständig neuen Anforderungen gegenüber. Anforderungen, die auf der Unternehmensseite auch stetige Anpassungen erfordern. Dies führt dann zu einer größeren Flexibilität im Ganzen – auch in Richtung Beirat. Aber auch der gesellschaftliche Wandel führt zu der erhöhten Offenheit: junge Unternehmer der heutigen Generation sehen es als selbstverständlich an, auch externen Sachverstand hinzuzuziehen.
Muss ein Beirat heute dann etwa anders zusammengesetzt sein als noch vor 20 Jahren?
Sie müssen nicht zwangsläufig anders zusammengesetzt sein. Letztlich ist die Qualifikation der Beirats- und Aufsichtsratsmitglieder damals wie heute entscheidend. Früher häufiger als heute vorzufinden war allerdings eine weniger professionelle Besetzung des Gremiums mit besten Freunden, Verwandten oder den vertrauten Beratern. Diese Gremien gibt es zum Glück heute deutlich seltener. Global betrachtet sind die Anforderungen an Gremienmitglied in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung natürlich stetig und zunehmend schneller gestiegen.
Welche Funktionen hat der Beirat im mittelständischen Unternehmen?
Ein freiwillig – also ohne gesetzlichen Zwang – eingerichtetes Beiratsgremium kann eine Vielzahl von Funktionen übernehmen. In den meisten Fällen wird die Sparringspartnerfunktion eine große Rolle spielen: der Beirat unterstützt durch konstruktiv-kritische Gespräche und Ideen die Geschäftsführung bei der Fortentwicklung des Unternehmens. Bei einer Vielzahl an Gesellschaftern – und somit oft schwierigen und langwierigen Abstimmungsprozessen – übernimmt der Beirat auch häufig die Kontrollfunktion über die Geschäftsführung, damit also die Entscheidung über die Jahres- und Strategieplanung der Geschäftsführung. Daneben gibt es noch eine Vielzahl an Sonderaufgaben die ein Beirat übernehmen kann, wie z.B. besondere Aufgaben in einem Notfall oder die Begleitung der Nachfolge.
Welche Qualifikationen und Eigenschaften muss der moderne Beirat also mitbringen?
Für eine optimale Besetzung des Beirats bzw. Aufsichtsrats empfiehlt es sich, zunächst eine Analyse des Unternehmens und der Unternehmerfamilie vorzunehmen. Je nach individueller Situation werden dann die gewünschten fachlichen Qualifikationen jedes Beirats-/Aufsichtsratsmitglieds festgelegt. Mindestens genauso wichtig sind jedoch die persönlichen Eigenschaften: Passt das potenzielle Beiratsmitglied zur Familie und hat es auch die nötige Zeit und Freude für das Mandat?
Lässt sich aufgrund der bisherigen Entwicklung sagen, wohin die Reise geht? Werden Beiräte immer mehr Anforderungen erfüllen müssen oder ist die derzeitige Entwicklung Ihrer Meinung nach eher ein Trend hin zu mehr Mitsprache, der aber wieder abebben wird?
Da die operativen und strategischen Herausforderungen für mittelständische Unternehmen in der Zukunft definitiv nicht kleiner werden, gehe ich davon aus, dass sich immer mehr mittelständische Unternehmen für einen Beirat entscheiden. Man kann dies durchaus auch als sich selbst verstärkenden Prozess ansehen: je mehr Unternehmer einen Beirat einrichten und anderen Unternehmerkollegen positiv davon berichten, desto eher werden diese Unternehmerkollegen auch über einen Beirat für das eigene Unternehmen nachdenken. Und das ist nach meiner Ansicht auch sinnvoll, denn ein gut besetzter Beirat bzw. Aufsichtsrat verstärkt jedes Unternehmen.