In einem Streitfall vor dem Bundesarbeitsgericht hatte eine Außendienstmitarbeiterin geklagt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro brutto. Neben der Klägerin war fast zeitgleich ein männlicher Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Dieser jedoch verlangte und erhielt ein höheres Grundentgelt i.H.v. 4.500 Euro brutto. Nach einem Jahr glichen sich die Gehälter der beiden wegen eines neuen Haustarifvertrags an – bis dann nach einigen weiteren Monaten dem Mann erneut ein höheres Gehalt angeboten wurde.
Männlicher Kollege verdiente mehr
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Erfolg vor dem BAG
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin mit Urteil vom 16.02.2023 (8 AZR 450/21) ganz überwiegend Recht. Die Beklagte hat die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege.
Benachteiligung wegen des Geschlechts bejaht
Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.
Das BAG hat dem auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Antrag der Klägerin teilweise entsprochen und dieser eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts i.H.v. 2.000 Euro zugesprochen.