DB: Lieber Herr Oecking, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag! Sie engagieren sich nun seit über 30 Jahren für die Optimierung der Betrieblichen Altersversorgung. Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen in den vergangenen Jahren?
Oecking: „Natürlich wurden die letzten Jahre hier in Deutschland sehr stark von der Entwicklung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes geprägt. Erste Anfänge gehen ja bereits auf das Jahr 2014 zurück. Thema war hier zunächst nur die Enthaftung der Arbeitgeber. Im Mai 2015 stellte dann die aba in Berlin einen aba-Vorschlag zu einer bAV-Förderung vor, die in wesentlichen Grundzügen heute im Fördermodell verankert ist. Heftige Diskussionen gab es dann in der breiten Öffentlichkeit nach dem Vorschlag der BMAS-Gutachter, die Zusage einer sogenannten Zielrente zuzulassen und dabei auf Garantien vollständig zu verzichten.
Darüber sollten wir die intensiven Diskussionen rund um die Zinsen bei der Bewertung betrieblicher Versorgungsleistungen in der Form einer Direktzusage nicht vergessen. Handelsrechtlich konnten wir nur wenige und unzureichende Änderungen durchsetzen. Steuerliche Erleichterungen, die die deutsche Wirtschaft dringend benötigt hätte, um die Besteuerung von Scheingewinnen zu vermindern, stießen zwar zunächst auf Sympathie, aber dabei blieb es dann leider auch; Änderungen ergaben sich leider nicht. Hier hoffen nun viele auf das Bundesverfassungsgericht, bei dem ja die Steuervorschriften anhängig sind.
Und nicht zuletzt blicken wir alle besorgt in Richtung Europa. Die Umsetzung der EbAV II-Richtlinie macht die Verwaltung versicherungsförmiger, betrieblicher Versorgungswerke deutlich aufwändiger, nachdem bereits die Diskussion der Richtlinie in den deutlich mehr als fünf Jahren aufgrund der Sorge vor überbordenden Eigenkapitalanforderungen enorme Kapazitäten gebunden hat. Und ein Ende des sehr feinmaschigen Hineinregierens in die Kompetenzen der Mitgliedsländer ist nicht abzusehen, vgl. PEPP und ähnliche Initiativen …“
DB: Die Betriebliche Altersversorgung hat zuletzt durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz viel mediale Aufmerksamkeit erfahren. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den neuen Regelungen, insbesondere mit der Einführung einer tariflichen Möglichkeit zur Erteilung einer „reinen Beitragszusage“? Was sind aus Ihrer Sicht sonst noch aktuelle Brennpunkte und Herausforderungen?
Oecking: „Der Gesetzgeber hat die reine Beitragszusage den Tarifpartnern vorbehalten, auf einer reinen Betriebspartnerebene können Arbeitgeber und Betriebsrat dieses neue Instrument nicht nutzen. Das macht es aber schwergängig. Die Umsetzung muss in die jeweiligen Fahrpläne und Wunschlisten der Tarifpartner Eingang finden und von den Mitgliedern entsprechend unterstützt werden, und dies braucht noch etwas Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass wir in diesem Jahr bereits ein oder zwei kleinere Abschlüsse sehen werden und hoffe für das kommende Jahr auf einen Flächentarifvertrag zur reinen Beitragszusage im Sozialpartnermodell. Weitere Themen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes waren ja Verbesserungen bei Entgeltumwandlung und der Zulagenförderung nach Riester innerhalb bAV sowie das neue Fördermodell. Hier stellen wir fest, dass die Arbeitgeber in den Niedriglohnbranchen und -unternehmen sich sehr schwer tun, zusätzliche Mittel für die bAV zur Verfügung zu stellen. So richtig verwunderlich ist dies aber eigentlich nicht, denn die niedrigen Löhne haben ja im Allgemeinen wettbewerbswirtschaftliche Ursachen. Im Thema Gehaltsverzicht zugunsten einer bAV stellt sich für viele Begünstigte inzwischen zunächst die Frage, ob für sie Entgeltumwandlung mit sofortiger Steuerbegünstigung oder Riester-Zulagenförderung besser sind. Und diese Frage wird oft nicht für das ganze Erwerbsleben gleich beantwortet werden, sodass ggf. sogar jährliche Überprüfungen erforderlich sind. Hieraus resultiert eine klare Chance für Digitalisierungsansätze, denn kostenintensive Beratungslösungen minimieren den Vorteil betrieblicher Lösungen.“
DB: Den Blick nach vorne gerichtet: Was wird sich aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren verändern? Wo erwarten – oder erhoffen – Sie sich in Zukunft die größten Veränderungen in der Betrieblichen Altersversorgung?
Oecking: „Ich sehe nach wie vor sehr gute Chancen, dass die betriebliche Altersversorgung in den nächsten Jahren durch zahlreiche neue Sozialpartnermodelle einen deutlichen Aufschwung nimmt und einen noch wesentlich größeren Anteil der Bevölkerung maßgeblich im Alter mit versorgt. Dazu beitragen könnte auch eine verbesserte Information der Bevölkerung. Hierzu liegt den Bundesministerien für Finanzen sowie für Arbeit und Soziales ein Gutachten zur säulenübergreifenden Altersvorsorgeinformation vor. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode wurde in der Begründung zum BRSG das Ziel einer Verbesserung der Informationslage über die Ansprüche aus allen Säulen formuliert. Nach dem Gutachten steht nun die Planung der Umsetzung an. Das wird vor allem für die betriebliche Altersversorgung mit ihrer Vielfalt eine echte Herausforderung, die wir aber meistern werden, da bin ich sicher. Ein weiterer wichtiger Impuls zur Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung blieb bislang aus. Trotz positiver Signale und einschlägiger Forderungen aus den Regierungsparteien und einem Regelungsvorschlag des Ministers Jens Spahn konnte sich die Bundesregierung bislang nicht dazu durchringen, eine deutliche Verminderung der Sozialabgabenlast der Betriebsrenten z.B. durch eine Rückkehr zum hälftigen Beitragssatz auf den Weg zu bringen.“
DB: Am 01.10.2019 steht dieses Jahr in Düsseldorf wieder unsere jährliche Fachtagung Betriebliche Altersversorgung an. Mögen Sie einen kurzen Einblick geben, was uns zu erwarten hat? Was sind die wichtigsten Brennpunkte und aus Ihrer Sicht die Highlights der Veranstaltung?
Oecking: „Im Rahmen der diesjährigen Fachtagung werden wir uns u.a mit den Bestrebungen zur besseren Information der Bevölkerung über ihre Versorgungsansprüche befassen und in dem Zusammenhang auch die Bedeutung der Digitalisierung veranschaulichen. Die zahlreichen Änderungen in Recht und Rechtsprechung rund um steuerliche und arbeitsrechtliche Fragen gehören jedes Mal zu den sehr beliebten Themen der Veranstaltung. Und viele Teilnehmer der Fachtagung sehen die Berichte aus der Unternehmenspraxis als Highlights auf der Veranstaltung.“
DB: Erlauben Sie uns zu Ihrem Jubiläum noch ein paar private Fragen: Was sind Ihre Vorbilder bzw. prägende Menschen in Ihrer beruflichen Laufbahn? Was treibt Sie nach über 30 Jahren beruflicher Laufbahn an? Sind Sie bereit für den Ruhestand und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Oecking: „Ich habe viele Erkenntnisse in den vergangenen fast 33 Jahren durch Gespräche mit Menschen gewonnen. Es ist schwer, einzelne Vorbilder zu benennen, weil es so viele gab. Zwei Menschen möchte ich jedoch besonders erwähnen, die mehr als Vorbilder waren, weil sie mich jeweils früh gefördert haben. Einer dieser Menschen ist mein erster und langjähriger Chef bei PwC bzw. Vorgängergesellschaften, Hans-Georg Klein, der mich nach dem Eintritt ins Berufsleben 1986 in Bezug auf die fachliche Ausbildung und weitere berufliche Themen viele Jahre eng begleitet hat. Aus den Einrichtungen und Gremien der betrieblichen Altersversorgung ist Klaus Heubeck ganz besonders zu erwähnen, der mich nach meinem ersten Vortrag bei einer Jahrestagung der aba im Jahre 1997 für Gremien der Branche vorschlug und dort unterstützte. Wirklich prägende Menschen in meinem Leben waren meine Eltern, denen ich sehr viel verdanke.“