• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Betriebsratsvorsitzender als Datenschutzbeauftragter?

12.06.2023

Betriebsratsvorsitzender als Datenschutzbeauftragter?

Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24.05.2018 gültigen Fassung (a.F.) zu widerrufen. Dies hat das BAG klargestellt.

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

©HNFOTO/fotolia.com

Der bei der Beklagten angestellte Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats und in dieser Funktion teilweise von der Arbeit freigestellt. Mit Wirkung zum 01.06.2015 wurde er von der Beklagten und weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit widerriefen die Beklagte und die weiteren Konzernunternehmen die Bestellung des Klägers am 01.12.2017 wegen einer Inkompatibilität der Ämter mit sofortiger Wirkung.

DSGVO ändert Rechtslage

Nach Inkrafttreten der DSGVO beriefen sie den Kläger vorsorglich mit Schreiben vom 25.05.2018 gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO als Datenschutzbeauftragten ab. Der Kläger hat geltend gemacht, seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender ließen sich nicht ausschließen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stellten einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar.

Das Urteil des BAG

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg (Urteil vom 06.06.2023 – 9 AZR 383/19). Der Widerruf der Bestellung vom 01.12.2017 war aus wichtigem Grund i.S.v. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG a.F. i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit i.S.v. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG a.F. nicht (mehr) besitzt. Die Zuverlässigkeit kann infrage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen.

Wertung des EuGH ist nicht neu

Diese vom EuGH (C-453/21) zu einem Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorgenommene Wertung gilt nicht erst seit Novellierung des Datenschutzrechts aufgrund der DSGVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG a.F. Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden

Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung.

Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG a.F. auf.

 


BAG vom 06.06.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

Weitere Meldungen


Meldung

© Minerva Studio/fotolia.com

16.10.2024

Arbeitsmarkt: Fast 20 Mio. Erwerbstätige gehen bis 2036 in Rente

Die anstehende Welle der in Rente gehenden Babyboomer wird zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen mit schwer beherrschbaren Folgen.

weiterlesen
Arbeitsmarkt: Fast 20 Mio. Erwerbstätige gehen bis 2036 in Rente

Meldung

©magele-picture/fotolia.com

14.10.2024

Gesetzentwurf zum ILO-Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt beschlossen

ILO-Übereinkommen Nr. 155 trifft Regelungen zum präventiven Arbeitsschutz und nimmt einen zentralen Platz als tragende Orientierungs- und Handlungsmaxime ein.

weiterlesen
Gesetzentwurf zum ILO-Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt beschlossen

Meldung

© forkART Photography/fotolia.com

11.10.2024

Kein Schaden, keine Schuld: Kündigung unwirksam

Die fristlose Kündigung eines Geschäftsführers wegen eigenmächtiger Honorarbeschlüsse wurde als unwirksam erklärt, da kein nachweisbarer Schaden vorlag.

weiterlesen
Kein Schaden, keine Schuld: Kündigung unwirksam

Meldung

©3rdtimeluckystudio/123rf.com

08.10.2024

Arbeitsmarkt: Umweltfreundliche Tätigkeiten nehmen zu

Studienergebnisse zeigen, dass die ökologische Transformation mit einer deutlichen Veränderung von Tätigkeitsprofilen einhergeht.

weiterlesen
Arbeitsmarkt: Umweltfreundliche Tätigkeiten nehmen zu

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:


Haben wir Ihr Interesse für die ZAU geweckt?

Testen Sie kostenlos zwei Ausgaben inkl. Datenbankzugang!