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17.07.2025

Frauenquote: Von der Maßnahme zur Mentalitätsänderung

Die Frauenquote polarisiert. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Quote nicht nur Frauen fördert, sondern auch das Denken aller Beschäftigten beeinflusst. Das könnte weitreichendere Effekte auf die Unternehmenskultur haben als bisher angenommen.

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Frauenquoten können ein Umdenken in der gesamten Belegschaft bewirken, hin zu einem egalitäreren Verständnis von Geschlechterrollen. Für bloße Mentoring-Programme lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen. Das zeigt eine aktuelle Studie von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und der Universität Bielefeld.

Grundlagen der Studie

Für ihre Analyse haben die Wissenschaftlerinnen einen Datensatz ausgewertet, der im Rahmen eines Projekts an der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erhoben wurde. Ihre Analysen enthalten Befragungsdaten von 2.445 Arbeitnehmer*innen aus 82 Großbetrieben mit mindestens 500 Beschäftigten. Die Teilnehmenden wurden gefragt, wie sie zu geschlechtsspezifischen Aspekten der Arbeitswelt stehen. Konkret: Ob Männer und Frauen beide zum Haushaltseinkommen beitragen sollten, ob ein Kind darunter leidet, wenn seine Mutter arbeitet, oder ob es für alle besser ist, wenn nur die Männer arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben.

Weniger Klischees, bessere Gleichstellung

Laut der Studie vertreten Beschäftigte in Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten egalitärere Ansichten als Beschäftigte an Arbeitsplätzen ohne eine solche Maßnahme. Im Durchschnitt ist die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte in Betrieben mit Frauenquoten traditionelle geschlechtsspezifische Ideologien äußern, um 1,5 Prozentpunkte geringer. Sie stimmen mit einer um 3,8 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage zu, dass sowohl Frauen als auch Männer zum Haushaltseinkommen beitragen sollten. Außerdem widersprachen sie mit einer um 9 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage, dass nur die Männer im Erwerbsjob arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben sollten.

Mehr Frauen in Führung, mehr Egalität im Denken

Zahlreiche statistische Robustheitsanalysen sowie konsistente Befunde über verschiedene Modellvarianten hinweg sprechen dafür, dass der beobachtete Zusammenhang nicht zufällig ist, betont WSI-Expertin Dr. Eileen Peters. Vieles deute darauf hin, dass die Quoten zur Herausbildung egalitärer Einstellungen beitragen können – auch wenn sich ein kausaler Effekt, also, dass Frauenquoten zu egalitären Einstellungen führen und nicht umgekehrt, mit den vorliegenden Daten nicht abschließend nachweisen lasse. Hierfür sei weitere Forschung nötig.

Gründe für die Ergebnisse

Eine mögliche Erklärung für den positiven Effekt ist, dass Frauen durch die Quote neue Rollen und Karrieremöglichkeiten kennenlernen, die sie zuvor für sich selbst ausgeschlossen hatten. Wenn mehr Frauen in Führungspositionen gelangen, können sie als Vorbilder dienen. Darüber hinaus signalisiert allein das Vorhandensein einer Frauenquote, dass Gleichstellung ein entscheidendes Ziel am Arbeitsplatz ist. So entsteht langfristig eine Kultur, in der Frauen eher als gleichberechtigter Teil der Belegschaft gesehen werden – sowohl von den Frauen selbst als auch von den Männern. „Mit freiwilligen Frauenquoten machen Betriebe deutlich: Frauen sollen in Führung – und zwar jetzt. Das verändert die Kultur im Unternehmen und setzt ein starkes Zeichen für Gleichstellung“, so die Forscherinnen. Je alltäglicher weibliche Führung wird, desto weniger wirken alte Klischees. So entsteht mit der Zeit eine neue betriebliche Normalität.

Mentoring-Programme weniger wirksam

Die Ergebnisse für Mentoring-Programme sind weniger eindeutig. Dabei unterstützt ein*e erfahrene*r Mentor*in bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Beschäftigte in Betrieben, die Mentoring einsetzen, unterscheiden sich in ihren geschlechtsspezifischen Einstellungen nicht von Beschäftigten in Betrieben ohne solche Programme. Ein leichter Zusammenhang zeigt sich lediglich, wenn die Maßnahmen seit mindestens fünf Jahren existieren. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie länger brauchen, bis sie wirken.

Darüber hinaus könnte die geringe Wirkung auch an der konkreten Umsetzung von Mentoring-Programmen liegen. Sie werden häufig dafür kritisiert, dass Mentor*innen Karriereratschläge geben, die vor allem auf eine Anpassung an „maskulinisierte Normen des idealen Arbeitnehmers“ abzielen – und dadurch bestehende Geschlechterbilder eher festigen, statt sie zu hinterfragen. Schließlich, so Dr. Eileen Peters und Prof. Dr. Anja-Kristin Abendroth, entfaltet Mentoring dann besonderes Potenzial, die Unternehmenskultur zu verändern, wenn es nicht auf individuelle Anpassung zielt, sondern in eine umfassende betriebliche Gleichstellungsstrategie eingebettet ist.

Gerade in Zeiten, in denen weltweit gegen Gleichstellungspolitik mobilisiert wird, bewerten die Forscherinnen die Ergebnisse als starkes Argument: Betriebliche Maßnahmen wie freiwillige Frauenquoten können mehr als nur Strukturen verändern – sie setzen Impulse für ein neues Denken und stärken egalitäre Rollenbilder im Alltag der Arbeitswelt.


Hans-Böckler-Stiftung vom 09.07.2025 / RES JURA Redaktionsbüro (vcd)

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