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26.10.2018

Mitbestimmung des Betriebsrats bei im Ausland beschäftigten Mitarbeitern?

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

Gunter Maevers

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner aktuellen Entscheidung vom 24.05.2018 (2 AZR 54/18), deren Volltext erst seit wenigen Tagen vorliegt, entschieden, dass unter bestimmten Umständen ein aus Deutschland heraus entsandter, im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats beim inländischen Arbeitgeber gekündigt werden kann. Ob das BAG mit dieser Entscheidung beginnt, das seit jeher geltende Territorialitätsprinzip des BetrVG zu lockern, haben wir Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Gunther Mävers gefragt.

DB: Der räumliche Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes richtet sich nach dem sogenannten Territorialitätsprinzip. Was besagt dieses genau?

Mävers: „Nach dem Territorialitätsprinzip ist der räumliche Geltungsbereich der Regelungen des BetrVG grundsätzlich auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, da die Souveränität des Staates durch die Landesgrenzen begrenzt ist. Durchbrechungen des Territorialitätsprinzips sind indes entweder durch eine Ausstrahlung der inländischen Regelungen in das Ausland oder eine Einstrahlung ausländischer Regelungen in das Inland denkbar. Ein im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer kann somit nach ständiger Rspr. (vgl. nur BAG vom 25.04.1978 – 6 ABR 2/77, DB 1978 S. 1840) unter bestimmten Voraussetzungen ungeachtet der Beschäftigung außerhalb Deutschlands unter den persönlichen Geltungsbereich des BetrVG fallen.“

DB: Eine Zuordnung zu einer (inländischen) Arbeitsorganisation liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer in diese eingegliedert ist. Was ist hierfür kennzeichnend? Wann hat der inländische Arbeitgeber gegenüber dem im Ausland tätigen Arbeitnehmer eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Arbeitgeberstellung mit welcher Konsequenz?

Mävers: „Ob auch im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer in Deutschland belegener Betriebe dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG unterfallen, hängt davon ab, ob die im Ausland verrichtete Tätigkeit der inländischen Betriebsorganisation zugeordnet werden kann. Dies ist nach neuerer Rspr. (BAG vom 19.07.2016 – 2 AZR 468/15, DB 2016 S. 2362 sowie dazu Reinhardt, DB 2016 S. 2908; LAG Rheinland-Pfalz vom 19.08.2015 – 4 Sa 709/14, RS1191910) der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar im Ausland beschäftigt wird, gleichwohl aber so in die inländische Betriebsorganisation eingebunden bleibt, dass er dieser zuzurechnen ist. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Inhalt der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht von bei der im Inland gelegenen Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmern unterliegt. Sind diese Kriterien erfüllt, soll die fehlende tatsächliche Beziehung zum inländischen Betrieb unschädlich sein.“

DB: Wie ist nun die aktuelle Entscheidung des BAG einzuordnen? Welche besondere Fallkonstellation ist betroffen?

Mävers: „Der 2. Senat hat in seiner Entscheidung zunächst die Geltung der vorstehend geschilderten Grundsätze zum betriebsverfassungsrechtlichen Territorialitätsprinzip bestätigt.

Sodann wird klargestellt, maßgeblich sei nicht, ob die Tätigkeit des Arbeitnehmers den wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens oder Konzerns fördere, da dieses letztlich immer der Fall sei und zur Aushöhlung des Territorialitätsprinzips führen würde. Entscheidend sei vielmehr allein, ob der Arbeitnehmer trotz seiner Tätigkeit im Ausland derart in die inländische Betriebsorganisation eingebunden bleibt, dass er zur Förderung des arbeitstechnischen Zwecks des im Inland gelegenen Betriebes beiträgt. Anderen Indizien wie bspw. einer vertraglichen Möglichkeit zur Abänderung des Arbeitsortes oder zum Rückruf oder der Durchführung der Personalverwaltung im Inland komme hingegen nur nachrangige Bedeutung zu. Insbesondere wird der weitergehenden Auffassung des Berufungsgerichts (LAG Niedersachsen vom 09.11.2017 – 5 Sa 1006/16, RS1261540), wonach die Anforderungen an eine Ausstrahlungswirkung wegen der fortschreitenden Globalisierung herabgesetzt werden müssten, eine (deutliche) Absage erteilt.

Der Senat weist schließlich darauf hin, dass sich bei drittbezogenen Personaleinsätzen im Ausland Besonderheiten ergeben können. Die Eingliederung eines zu einem inländischen Arbeitgeber in arbeitsvertraglicher Beziehung stehenden Arbeitnehmers in den Betrieb eines anderen Unternehmens im Ausland könne dazu führen, dass die Arbeitgeberstellung „gespalten“ ist. Insoweit komme ggf. eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 1 AÜG in Betracht mit der Konsequenz der Aufrechterhaltung der Zuständigkeit des Betriebsrats des inländischen Arbeitgebers.“

DB: Wie kann eine Zusammenfassung der Konsequenz und der praktischen Folgen der Entscheidung des BAG aus Ihrer Sicht lauten?

Mävers: „Es bleibt auch nach dem Urteil des 2. Senates dabei, dass für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer die Einbindung in die inländische Betriebsorganisation maßgeblich ist. Da diese im Wesentlichen vom Arbeitgeber gesteuert wird und je nach Intention entweder bewusst erhalten oder vermieden werden kann, hat dieser es in einem gewissen Umfang selbst in der Hand, hierauf Einfluss zu nehmen. Insoweit sollte dafür Sorge getragen werden, dass diese Einbindung entsprechend – arbeitsvertraglich oder in Anweisungen – dokumentiert wird und auch in der Praxis von den dem im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer vorgesetzten Arbeitnehmern eingehalten wird.“

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Mävers!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

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