DB: Herr Dr. Bissels, können Sie uns bitte kurz berichten, worum es in dem Streitfall ging?
Dr. Bissels: Ein Arbeitgeber schloss mit einem Arbeitnehmer mit Wirkung zum 01.05.2021 einen Arbeitsvertrag, der durch die Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande gekommen ist. Der Arbeitgeber zahlte an diesen eine Vermittlungsprovision. Im Arbeitsvertrag verpflichtete sich der Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber die gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbestehen und u.a. aus von dem Arbeitnehmer „zu vertretenden Gründen“ von ihm selbst beendet werden würde. Es kam so, wie es kommen musste: der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.06.2021; der Arbeitgeber behielt, unter Verweis auf die arbeitsvertragliche Regelung von der für den Monat Juni 2021 abgerechneten Vergütung, einen Teilbetrag als Erstattung für die an den Personaldienstleister gezahlte Provision ein. Hiergegen wendete sich der Arbeitnehmer klageweise; der Arbeitgeber verlangte widerklagend die Zahlung der noch nicht erstatteten Provision.
DB: Wie hat das BAG den Fall entschieden?
Dr. Bissels: Das BAG bestätigte die Urteile der Instanzgerichte, die der Klage des Arbeitnehmers auf die Zahlung der einbehaltenen Vergütung stattgegeben und die Widerklage des Arbeitgebers abgewiesen haben. Die arbeitsvertragliche Bestimmung soll den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Sie ist daher nach Ansicht des BAG nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer werde hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt wäre. Dieser habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beende. Es bestehe deshalb kein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers, solche Kosten auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Der Kläger erhalte auch keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahlfreiheit ausgleichen könne.
DB: Kam die Entscheidung überraschend?
Dr. Bissels: Das BAG hat sich in der Vergangenheit bereits sehr restriktiv zu Klauseln aufgestellt, durch die Arbeitnehmer verpflichtet werden sollen, die zunächst vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten für Fort- und Weiterbildungsmaßnehmen zu übernehmen, wenn das Arbeitsverhältnis kurze Zeit nach deren Abschluss vom Arbeitnehmer beendet wird. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung des BAG m.E. wenig überraschend; sie war vielmehr erwartbar. Neben der Beschränkung der freien Wahl des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers fällt in der Tat zulasten des Arbeitgebers ins Gewicht, dass die Personalbeschaffung und die dabei entstehenden Kosten grundsätzlich seiner (unternehmerischen) Sphäre zuzuordnen sind. Es wäre in der Tat wenig interessengerecht, diese grundsätzlich auf den vermittelten Arbeitnehmer ablasten zu können. Anders als bei erfolgreich abgeschlossenen und vom Arbeitgeber finanzierten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zieht der Arbeitnehmer aus der schlichten Tatsache, dass ein Arbeitsverhältnis begründet wird, in der Regel keinen darüber hinausgehenden Vorteil, den er für sich am Arbeitsmarkt nutzbar machen könnte und der geeignet wäre, eine Erstattung zu rechtfertigen.
DB: Das heißt, Arbeitgeber, die im Rahmen von Rekrutierung Headhunter einsetzen, bleiben grundsätzlich auf den Kosten sitzen?
Dr. Bissels: Ja, der Arbeitgeber trägt grundsätzlich die Kosten für die Rekrutierung neuer Arbeitnehmer – auch und insbesondere, wenn dieser dafür Headhunter einsetzt und damit seine „unternehmerischen“ Pflichten bzw. Bedürfnisse auf einen Dritten „outsourct“. Bis zu einer abschließenden Bewertung sollten aber die bislang nicht vorliegenden, vollständig abgesetzten Gründe des BAG abgewartet werden. Das LAG Schleswig-Holstein hat in der Berufungsinstanz weniger absolut argumentiert als das BAG und ausdrücklich festgestellt, dass es entsprechende Rückzahlungsklauseln nicht generell, aber in dem konkreten Fall für unwirksam hält. Ggf. ergeben sich aus den Entscheidungsgründen des BAG noch gewisse „Impulse“, die es möglich erscheinen lassen, eine entsprechende Klausel auch wirksam zu formulieren, auch wenn sich in der bislang vorliegenden Pressemitteilung dafür keine hinreichenden Anknüpfungspunkte finden lassen.
DB: Haben Sie Ratschläge für Arbeitgeber?
Dr. Bissels: Im Ergebnis dürften Arbeitgeber gut beraten sein, bei der Erstattung der Vermittlungskosten nicht auf den eingestellten Arbeitnehmer zu schielen, sondern im Verhältnis zu dem Personaldienstleister eine vertragliche Lösung zu finden. Diese könnte eine Rückzahlungspflicht der bereits geleisteten Provision oder eine „Nachvermittlungspflicht“ vorsehen. Derartige Regelungen sind freilich für den Personaldienstleister unattraktiv bzw. sollten – zumindest aus dessen Sicht – gut überlegt sein. Aufgrund der gegenwärtigen Marktlage und des sich weiter zuspitzenden Fachkräftemangels besteht für den Headhunter grundsätzlich keine Notwendigkeit, Klauseln in den Vermittlungsvertrag aufzunehmen, die sich wirtschaftlich zulasten des Personaldienstleisters auswirken. Es spricht wenig dafür, dass sich der Headhunter das „Problem“, das der Arbeitgeber mit Blick auf die Erstattung der Provision von dem Arbeitnehmer aus arbeitsrechtlicher Sicht hat bzw. haben kann, zu eigen und dieses zum Gegenstand des Vermittlungsvertrages macht. Dies gilt zumindest, wenn für den Personaldienstleister keine „praktische Not“ für ein solches Entgegenkommen besteht, z.B. um einen neuen Großkunden zu gewinnen oder einen solchen durch attraktive Bedingungen zu halten.
DB: Man hört von Fällen, in denen Headhunter den Kontakt zwischen dem Bewerber und dem Unternehmen herstellen, es aber nach dem Vorstellungsgespräch nicht zum Vertragsabschluss kommt und der Headhunter nun Schadensersatz für seine Bemühungen fordert. Zu Recht?
Dr. Bissels: Üblicherweise wird eine vom beauftragenden Unternehmen geschuldete Vergütung für den Fall vereinbart, dass es auch zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kommt. Abweichende Abreden sind natürlich möglich und zulässig, zum Beispiel indem für den Headhunter eine Vergütung vereinbart wird, die dieser für seine im Ergebnis erfolglosen Bemühungen erhält, wenn es nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kommt, weil schlichtweg keine geeigneten Kandidaten identifiziert oder dem Arbeitgeber „zugeführt“ werden konnten oder die Parteien nicht zueinander gefunden haben. Ein Schadensersatzanspruch des Headhunters ist m.E. nur denkbar, wenn das beauftragende Unternehmen gegen dessen vertragliche und/oder gesetzliche Pflichten verstößt. In diesem Fall wären (natürlich) Schadensersatzansprüche des Headhunters grundsätzlich denkbar. Diese Konstellationen dürften aber in der Praxis eher selten sein.
DB: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro
Interviewpartner
Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere beim Einsatz von Fremdpersonal.