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14.07.2022

Wann ist ein Kurierfahrer scheinselbstständig?

Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

©Marco2811/fotolia.com

Ein für ein Transportunternehmen tätiger Kurierfahrer ist entgegen der Behauptung des Arbeitgebers sozialversicherungsrechtlich nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt.

Im Streitfall hatte ein Kurierfahrer Transportaufträge für ein Unternehmen durchgeführt, die das Unternehmen ihm über ein Funksystem vermittelte. Nach Abschluss eines Rahmenvertrags und unter Hinweis auf „Arbeitsanleitungen“ hatte er bei den Kunden des Unternehmens Transportgüter abzuholen und auszuliefern, nachdem ihm entsprechende Aufträge von der Unternehmenszentrale über Funk vermittelt worden waren.

Der Kurierfahrer hatte hierzu selbst ein entsprechendes Gewerbe angemeldet, führte die Fahrten mit einem eigenen Fahrzeug durch, hatte seinerseits aber weder eigene Mitarbeiter noch einen Betrieb. Ihm gegenüber erstellte das Unternehmen monatliche Abrechnungen auf der Grundlage der ermittelten Transportkilometer. Von der Vergütung zog das Unternehmen eine Verwaltungspauschale ab.

Kurierfahrer hatte keine wesentlichen Freiräume

Nach einer Würdigung der Gesamtumstände der Tätigkeit des Kurierfahrers ging das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Urteil vom 29.06.2022 (L 28 BA 23/19) von einer abhängigen Beschäftigung aus. Weder aus dem geschlossenen Rahmenvertrag noch aus der Art und Weise des tatsächlichen Arbeitslebens ergäben sich wesentliche Freiräume des Kurierfahrers. Habe er den jeweiligen Einzelauftrag angenommen bzw. habe das Transportunternehmen diesen an ihn vergeben, sei er fortan fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert gewesen. Etwaige Freiräume – beispielsweise im Hinblick auf die Wahl der konkreten Route – fielen demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht. Gleiches gelte auch für den Umstand, dass der Fahrer für seine Kurierdienste seinen eigenen Pkw nutzte.

Rahmenvertrag spielt keine Rolle

Keine wesentliche Bedeutung komme dem Umstand zu, dass man dem Kurierfahrer auf der Grundlage des Vertrags die für einen Arbeitnehmer typische soziale Absicherung nicht gewährt hat. Dieser Umstand könne allenfalls ein Indiz darstellen, dessen Gewicht sich wegen eines Ungleichgewichts in den Verhandlungspositionen beider Seiten allerdings erheblich abschwäche. Hier sei nicht erkennbar, dass beide Vertragspartner in gleicher Weise Einfluss auf die Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status hätten nehmen können.

Zum rechtlichen Hintergrund

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“


LSG Berlin-Brandenburg vom 04.07.2022 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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